Zwei Freunde, zwei durchaus gereifte BMW Motorräder und ein möglichst fernes Ziel. Andreas Seyffer und Klaus Bayerlein lieben die Herausforderung, gerade in den Sätteln ihrer fast 50- und 90-jährigen BMW Motorräder. 2018 fuhren sie von München bis fast an den westlichsten Punkt Europas, das Kap Finisterre im spanischen Galicien. Das muss man sich erst einmal trauen, denn ein Begleitfahrzeug gab es nicht. Unterwegs wie vorgestern, ein Abenteuer der besonderen Art.
Ja, es gab eine Panne, das sei gleich vorausgeschickt. Denn daran denkt ja wohl jeder zuerst, wenn er hört, mit welchen BMW Motorrädern die beiden Freunde Andreas Seyffer (55) und Klaus Bayerlein (61) sich aufmachten, den fast westlichsten Ort Europas zu besuchen. Bayerleins BMW R 60/5 aus dem Baujahr 69 wirkt gerade erst gut eingefahren neben Seyffers R 63 von 1929. Jawohl, richtig gelesen, der neunzigste Geburtstag steht bald an, doch das ist längst kein Grund für den Besitzer, das kostbare Stück ins Wohnzimmer zu stellen und einmal wöchentlich abzustauben. Denn mobile Historie entfaltet ihren Zauber erst mobil, also unterwegs, und brennendes Fernweh erfasst die Freunde sowieso regelmäßig.
Zwei Freunde, ein fernes Ziel.
Die beiden begeisterten Motorradfahrer, Seyffer fährt auch historische Rennen, kennen sich schon lange und haben bereits weite Touren gemeinsam unternommen. Das muss man wohl auch, um sich mit zwei in Würde gereiften BMW Maschinen auf eine 7.000 Kilometer lange Tour quer durch Frankreich und Spanien bis ans Kap Finisterre zu begeben. Mit sehr kleinem Zelt. Und nur dem Nötigsten an Gepäck. Was neben Werkzeug und Ersatzteilen eben noch Platz hat. Also fast nichts. Am 2. Juni 2018 ging es von München aus los. Die R 63 vorneweg, denn die hat ja keinen Blinker. Und nur ein winziges Rücklicht. Außerdem ist sie viel älter, also gebietet es schon die Höflichkeit, ihr den Vortritt zu lassen.
Leistung und Sportlichkeit – BMW R 63.
Die BMW R 63 war die leistungsstärkste und sportlichste BMW ihrer Zeit. 1928 präsentiert, wurde sie nur bis 1929 gebaut. Mit gerade mal 794 Stück zählt sie zu den Raritäten. Aus 735 Kubikzentimeter entwickelt ihr Zweizylinder-Boxer 24 PS. Eine Hinterradfederung gibt es noch nicht. Die drei Gänge werden mit der rechten Hand neben dem Tank geschaltet, die Zündung am Lenker mit einem Hebel verstellt. Besitzer Andreas Seyffer kann dank selbst gebautem Haken auch mit dem Knie schalten, was das Runterbremsen vor Kurven deutlich einfacher macht. Eine neumodische Fußschaltung hatte nämlich zuerst die BMW R 5 von 1936.
Komfort und Langstrecke – BMW R 60/5.
Bayerleins BMW R 60/5 von 1969 wirkt in dieser Paarung schon wie pure Science-Fiction. 40 PS und Elektrostarter, komfortable Federung und beste Beleuchtung machen diese gerade bei Tourenfahrern beliebte Maschine auch nach einem halben Jahrhundert zum problemlosen Alltagsbegleiter. Perfekt also für eine ambitionierte Fernfahrt.
Am Anfang Kilometer fressen.
In weiten Etappen ging es möglichst rasch bis Biarritz an die französische Atlantikküste. Ab hier schalteten die beiden Freunde um in den Genussmodus und folgten vor allem kleinen, einsamen Straßen voller Kurven inmitten landschaftlich pittoresker Schönheit.
Die drei nördlichen spanischen Provinzen Kastilien und León, Asturien und Galicien pflegen ihre besonderen Traditionen und sprachlichen Eigenheiten. Die sehr grüne und abwechslungsreiche Landschaft kann schon mal an Oberbayern oder Kalifornien erinnern, langweilig wird sie jedenfalls nie. Ließ sich weder Unterkunft noch Campingplatz finden, schlugen die Freunde ihr Zelt auch einfach mal neben der Straße auf. Die Dörfer liegen oft recht einsam, nur die Orte, an denen auch die vielen Wanderer des Jakobsweges vorbeikommen, sind touristisch gut erschlossen.
Bei jedem Halt sammelten sich natürlich schnell Neugierige und schüttelten fassungslos den Kopf, wenn sie das Alter der BMW R 63 erfuhren. Nahe San Sebastián besuchten Seyffer und Bayerlein einen Basken, der BMW Motorräder restauriert und repariert. Dummerweise vergaßen sie dort einen Koffer und Werkzeug und mussten 80 Kilometer zurück. Abgesehen vom häufigen Regenwetter konnten sie all die neuen Eindrücke einfach nur genießen. Das Kap Finisterre (galicisch Cabo Fisterra) markiert das eigentliche Ende des Jakobswegs. Es liegt rund 60 Kilometer vom berühmten Santiago de Compostela entfernt.
Hast du keine, mach dir eine. Die Panne.
Ein einziges Mal gab es technische Probleme, und die waren auch noch selbst gemacht. Nach der Ölkontrolle am Hinterradantrieb seiner BMW R 63 vergaß Seyffer, die Schraube wieder einzudrehen, und fuhr ohne sie weiter. Als er es bemerkte, lagen bereits viele Kilometer zwischen ihm und der Schraube nebst passendem Gabelschlüssel. Ein Weinkorken aus einer Bar musste fortan reichen. Ärgerlich, aber nicht wirklich schlimm. Und sonst? Nichts. Nur Benzin nachfüllen, Fahren, Staunen und Genießen. Genau dafür wurden diese BMW schließlich gebaut. Vor 90 Jahren nicht anders als vor 50. Warum sie also im Museum wegstellen, wenn man noch so viel Freude damit haben kann?
Das fanden auch die Besucher des riesigen Motorradtreffens „Wheels & Waves“ in Biarritz an der französischen Atlantikküste, das sich die beiden Münchner auf der Rückreise nicht entgehen lassen wollten. Seyffers R 63 erregte natürlich Aufsehen. Die beiden Freunde planen bereits das nächste Ziel. So viel steht schon mal fest: Es liegt wieder sehr weit entfernt von München, alles andere wäre ja schließlich viel zu schnell vorbei.