Die BMW R 27 war 1960 ein klassisches Einzylinder-Modell, gebaut für kluge Rechner in einer Welt, in der ein Motorrad noch ein Auto ersetzen musste. Sie war vollwertig und komfortabel, eignete sich für die Fahrt zur Arbeit und in den Urlaub gleichermaßen, war sparsam und robust, ein unauffälliger Kumpel fürs Leben. Genau wegen diesen bestechenden Vorzügen war sie auch bei Behörden und der Polizei überaus beliebt.

Ein Viertelliter Hubraum galt bei Motorrädern schon früh als Maßstab ordentlicher Grundmotorisierung. Es war nicht üppig, doch damit konnte man gut leben, auch mal Gepäck und Sozia transportieren, eine Passstraße erklimmen oder einen Beiwagen anhängen. Nichts für jene natürlich, die gern auf „dicke Hose“ machten, den großen Auftritt suchten und auf der Landstraße alle herausforderten, die sich da auch noch fortbewegten. Vor allem aber war eine 250er preisgünstig. Sie kostete nicht die Welt an Steuer und Versicherung, die Wartung war simpel und ließ sich auch im Innenhof vor der Wohnung selbst erledigen. Bei der R 27 gesellte sich zu aller Vernunft natürlich noch Besitzerstolz hinzu. Es war immerhin eine echte BMW. Stets in Schwarz, mit weißer Handlinierung und Chrom an genau den richtigen Stellen. Durch und durch deutsch, möchte man sagen.

Ein Stück deutscher Ingenieurskunst.

Es gab billigere Angebote am Markt. Doch keines mit diesem gediegenen Qualitätsanspruch. Die R 27 war sehr robust, ließ sich ermüdungsfrei auch auf langen Strecken fahren, glänzte mit guter Ergonomie und Komfort auf schlechten Wegen. Der Einzylinder-Motor leistete mit seinen 18 PS noch mal 3 PS mehr als beim Vorgängermodell R 26, dazu dämpfte eine neue aufwendige Gummilagerung die Vibrationen von Motor und Getriebe. Natürlich besaß sie den berühmten Kardanantrieb, der dazu mit seiner vollständigen Kapselung vorbildlich gegen Schmutz geschützt war. Der überaus feste Rahmen eignete sich sogar ohne zusätzliche Verstärkungen für den Betrieb eines Seitenwagens, auch das ein wichtiges Argument für angehende Familienväter.

Klappe! Und Action!

Der junge Belmondo im Amischlitten auf der Flucht vor der Polizei. Im Schwarzweiß-Filmklassiker Außer Atem von Jean Luc Godard nützte ihm auch die Achtzylinder-Power nichts. Die Gendarmen holten ihn ein. Sie fuhren nämlich die bei Behörden und Polizei äußerst beliebten BMW Motorräder, gefährliche Gegner selbst gut motorisierter Gangster. Die kleine R 27 wurde gerne zur Ausbildung genutzt, eine ganze Generation junger Polizisten und Soldaten übte auf ihr. Und viele blieben danach ihr Leben lang der Marke BMW treu.

Swinging Sixties.

In den 1960er-Jahren veränderte sich der Motorradmarkt. Wer früher nur eine zuverlässige Alltagsmaschine für die täglichen Fahrten gesucht hatte, stieg spätestens jetzt endgültig ins Auto um. Und wer im Motorrad weitaus mehr sah als nur ein preiswertes Fortbewegungsmittel, nämlich vor allem Hobby und Leidenschaft, der wollte mehr als nur einen Zylinder, für den zählte Leistung und Drehmoment. Dazu drängten neue japanische Modelle in den Markt, die sich mit jugendlicher Optik und aggressiven Preisen zu profilieren wussten. Zuletzt kostete eine R 27 immerhin 2.670 Mark. Ein Schnäppchen war sie nie.

1966 war nach 15.364 Einheiten erst mal Schluss mit klassischen „Eintopfgerichten“ bei BMW, ein über Jahrzehnte in verschiedenen Modellen bewährter Klassiker rollte hinüber ins Museum. Wahrscheinlich saß der eine oder andere ehemalige Einzylinder-Fahrer jetzt bereits im neuen Automodell 1600-2, das im selben Jahr ein weiteres sehr erfolgreiches BMW Kapitel eröffnete.

Garagengold.

Heute ist eine BMW R 27 mit ihrer schwarzen, klassisch schönen BMW Linie längst ein gefragtes Sammlerstück, mit dem sich prächtig Ausfahrten machen lassen. Wie damals steht sie etwas im Schatten des berühmten Boxermotors, der alles überstrahlt. Doch wer sich auf sie einlässt, wird nicht enttäuscht. Sie verkörpert auf wunderbare Weise den alten Geist. Sie ist ganz der treue Kumpel geblieben, auf den man sich verlassen kann, wenn man ihn braucht.

 

Es gibt viele schöne private Videos von der BMW R 27, hier ist ein Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=M7R4asUOR-4