Das Beste aus verschiedenen Welten. Der Rolls-Royce Camargue trägt italienisches Design und den Namen einer französischen Landschaft. Unter seiner eleganten Haut verbirgt sich die Technik des Rolls-Royce Corniche, den er eigentlich ablösen sollte und der dann doch noch einige Jahre parallel weitergebaut wurde. Der Camargue verband Luxus und Eleganz auf neue, aufsehenerregende Weise.

The Italian Job.

Zum ersten Mal seit Kriegsende wurde ein neues Rolls-Royce-Modell nicht in England gezeichnet. Keinem Geringerem als Sergio Pininfarina in Italien fiel Anfang der 1970er-Jahre die Ehre zu, einem eleganten Coupé Gestalt zu geben, mit dem Rolls-Royce auf eine neue Käuferschicht zielte, die Luxus und Eleganz gleichermaßen liebte. 1975 präsentierte man den neuen Camargue, der Aufsehen erregte, auch wegen seines Preises.

Mit einer Länge von 5,17 m, einer Breite von 1,92 m und einer Höhe von 1,47 m ist der Camargue auch heute noch eine stolze, im Straßenverkehr sofort viele Blicke auf sich ziehende Erscheinung. Durch den monumentalen Grill von jedermann sofort als Rolls-Royce identifizierbar, wirkt er im Übrigen so ganz anders, nämlich schlanker, flacher und glatter als andere Rolls-Royce. Sein Heck geriet betont schlicht und nicht mal ein Modellschriftzug ist ihm hier vergönnt.

Adequately powered.

Traditionell werden die Leistungsdaten eines Rolls-Royce mit „ausreichend“ umschrieben. Was eigentlich schade ist, denn der 6,75 Liter mächtige Achtzylinder kann sich durchaus sehen (und ein klein wenig hören) lassen. Seine Laufkultur ist sprichwörtlich und das kraftvolle Drehmoment ein Erlebnis. Zusammen mit der perfekt harmonierenden GM Dreigang-Automatik liefert er die Grundlage des sprichwörtlichen Rolls-Royce Gefühls. Man gleitet dahin, man schwebt, man ist der Welt um sich herum angenehm entrückt.

Der zusammen mit seinem Fahrer fast 2,5 t schwere Camargue verwöhnt mit außergewöhnlichem Komfort, vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten. Nichts animiert den Fahrer zum schnellen Fahren, gar Rasen. Obwohl er es durchaus könnte, 190 sind drin und eine Beschleunigung von rund zehn Sekunden auf Hundert. Vor über vierzig Jahren war das noch eine Ansage, sollte man hier ergänzen. Viel wichtiger aber sind der automatische Niveauausgleich, die spielerischen Bedienkräfte, die selbst den Automatik-Wählhebel mit einem Servo unterstützen.

No James inside.

Diesen Rolls-Royce sollte kein Chauffeur mehr lenken. Obwohl es auf den beiden Rücksitzen durchaus großzügig zugeht, sind die besten Plätze eindeutig vorn. Auch um sich hier am perfekten Walnussfurnier des Armaturenbretts und den schlichten, aber umso schöneren Armaturen zu erfreuen. Alles scheint wie für die Ewigkeit gemacht, keiner zählt die Stunden, mit denen geschickte Meister das alles handwerklich perfekt zusammenfügten.

Die aufwendig neu entwickelte Klimaautomatik gab es damals bei keinem anderen Hersteller. Sie bot eine getrennt für den oberen und unteren Bereich des Innenraums einstellbare Temperatur – ein Komfort, den breitere automobile Kreise erst Jahrzehnte später genießen durften. Zeitgenössische Tester waren beeindruckt, denn es funktionierte ausgezeichnet.

Der Camargue war auch preislich eine Klasse für sich. Von Anfang an als Spitzenmodell und Krönung der Silver Shadow/Corniche Baureihe vorgesehen, trug er das stolzeste Preisschild von allen. 1975 standen da 209.790 DM drauf, und es gab durchaus noch Extras, mit dem der Käufer diesen Preis weiter erhöhen konnte. Angemerkt sei hier der Preis des gewaltigen Phantom VI, denn der kostete zehn Tausendmarkscheine weniger. Von 1975 bis 1986 entstanden so gerade mal 525 Camargue, einen Nachfolger gab es nicht.

Gegenwart und Zukunft.

Heute sieht man gepflegte wie aus der Zeit gefallene Camargue zum Beispiel beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este am Comer See in Italien. Sie verströmen noch immer jene unnachahmliche Mischung aus leichtfüßigem Coupé und gesetzter aristokratischer Überlegenheit. Ihr Platz im Museum der Automobilgeschichte war ihnen eigentlich von Anfang an sicher, doch was sollen sie dort, wenn sie noch immer als perfekte Reisewagen über die Straßen der Welt gleiten können?

 

Bei YouTube gibt es sehr schöne Fahrimpressionen verschiedener Rolls-Royce Camargue, zum Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=6yBN-PIG8v8

https://www.youtube.com/watch?v=dWjLbrpJ5Qk