Kleinwagen bauen ist doch nicht schwer, könnte mancher meinen. Man schrumpft einfach so lange die Karosserien konventioneller Fahrzeuge, bis sie preislich passen, und zwängt sich ins Ergebnis, fertig. Das sieht fast immer lächerlich aus, aber anders geht es halt nicht. Oder doch?
Hier sind zwei Beispiele für echte Revolutionäre:
ISETTA – LA DOLCE VITA IN PICCOLO.
Die Idee zur Isetta entstand in Italien inmitten der Aufbruchsstimmung nach dem Krieg. Die Firma hieß Iso und baute gar keine Autos, sondern Kühlschränke. Ihr Chef Renzo Rivolta sprudelte vor neuen Ideen, besonders zur Motorisierung. Vielleicht hat er mit einem gemütlich auf einem Sofa sitzenden Menschen begonnen. Er gesellte ihm einen Beifahrer zur Unterhaltung hinzu, gab ihm Dach und Heizung zum Schutz vor Wetterunbilden und Räder zum mühelosen Vorwärtskommen. Derer vier genau, denn Signore Rivolta wusste: Dreiräder kippen allzu schnell mal um. Die hinteren Räder ordnete er aber so schmal, dass ein teures Differenzial entfallen konnte. Den Motor versteckte er hinter dem Sitz, die Tür verlegte er nach vorn. Mag sein, dass er dabei an seine Kühlschränke dachte. Da jetzt das Lenkrad im Weg stand, ließ er es zur Seite klappen. Das Ergebnis verblüffte. Weniger Auto ist schlicht unmöglich. Revolutionär!
BMW fiel Mitte der 1950er-Jahre genau dieser Kleinwagen auf, denn der eigenen Produktpalette fehlte die Abrundung nach unten. Den rappeligen Zweitakter ließ man allerdings in Italien und verwendete lieber den herrlich bullig klingenden Einzylinder aus der R 25. Zwölf PS schoben das italienisch-bayerische Zweier-Sofa munter an, parken konnte man notfalls quer, die Tür öffnete dann praktischerweise zum Gehweg. Besitzer des alten Führerscheins 4 freuten sich, denn die 250 Kubik der Isetta waren ihnen gerade noch erlaubt.
Lob kam von allen Seiten. Die Kleinwagen und Rollermobil-Konkurrenz war zwar ziemlich angewachsen, doch kaum einer bot solch gediegene Qualität wie BMW. Auch durch den günstigen Preis von nur 2.550 DM gehörte die Isetta rasch zum vertrauten Straßenbild. Im Herbst 1956 kam ein Facelift. Die noch einmal in Qualität und Robustheit gesteigerte Isetta verkaufte sich blendend und wurde auch ein beliebter Zweitwagen für das aufstrebende Wohlstandsbürgertum.
C1 – SCHUTZ UND TRUTZ AUF EINER SPUR.
Motorräder sind wendig und leicht zu parken, also im Grunde ideal für den dichten Stadtverkehr. Wo sich Autos stauen und gegenseitig behindern, schlüpft das schmale Zweirad behände hindurch. Ist es am Ziel angekommen, findet sich auch schnell ein Plätzchen zum Parken. So weit, so gut.
Leider bieten Motorräder kaum passive Sicherheit. Der Fahrer ist also angehalten, sich entsprechend zu kleiden, bevor er losfährt. Lederbewehrte Rüstungen aber sind das Gegenteil dessen, was ein von Terminen getriebener Stadtbewohner anlegen möchte, nur um mal eben ein paar Kilometer hinter sich zu bringen. Genau hier setzte der C1 an, und die Menschen rieben sich verblüfft die Augen. Ein solches Motorrad hatten sie noch nie gesehen. Oder war es eher ein Einspur-Auto?
Fahrleistung und Bedienung des C1 entsprechen einem Roller, sind also denkbar einfach. Gas geben und bremsen, viel mehr braucht es nicht. Die Automatik funktioniert stufenlos, 15 bzw. 18 PS genügen für eine Höchstgeschwindigkeit von 110 bis 112 km/h. Einzigartig ist das Sicherheitskonzept mit dem schmalen Dach. Es bietet Wetterschutz sowie zusammen mit dem Crashelement über dem Vorderrad und den Sicherheitsgurten einen bei Motorrädern nie gekannten Aufprallschutz. Sogar die Helmpflicht kann entfallen. Der C1 bot im Millenniumsjahr 2000 ein futuristisches Citymobil ohne Vorbild.
WAS BLIEB VOM REVOLUTIONÄREN GEIST?
Die Isetta wurde von 1955 bis 1962 über 161.000-mal gebaut, einen Nachfolger hatte sie nicht, die Zeit der Rollermobile war vorbei und die Parkplatznot nicht groß genug. Der C1 schaffte es, von 2000 bis 2003 immerhin fast 34.000 Käufer zu finden, doch auch er bekam keinen Nachfolger. Heute erfreuen sich aber beide Revolutionäre einer eingeschworenen Fangemeinde, gute Isettas erzielen schon lange Spitzenpreise.
Alles hat eben seine Zeit, auch neue Ideen. Nicht alles darf zum Evergreen reifen. Der Mut, altbewährte Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen, hat sich in beiden Fällen aber ausgezahlt.