Sie waren jung und den meisten völlig unbekannt. Sie sahen aus wie Studenten auf dem Weg zur nächsten Demo – lange Haare, enge Jeans und ein süffisantes Dauergrinsen im Gesicht. Doch in jedem von ihnen steckte ein Kämpfer mit großem Herz, der sehr genau wusste, wohin er wollte. Nämlich nach oben aufs Siegertreppchen, wo bisher die Etablierten feierten. An einem feuchtkühlen Märztag 1977 ging es auf der belgischen Grand-Prix-Strecke Zolder los. Das BMW Junior Team startete zum ersten Rennen. Am Ende dieses Tages war nichts mehr wie vorher.
Erfolgsgeschichte Tourenwagen.
Das BMW 3.0 CSL Coupé beherrschte in den 1970er-Jahren die europäische Tourenwagenszene. Rennlegenden wie Hans-Joachim Stuck sorgten für Seriensiege der auffällig im Streifenmuster dekorierten Boliden, die 400 PS nach vorne schoben. Doch Jochen Neerpasch, seit 1972 Geschäftsführer der BMW Motorsport GmbH, wollte mehr. Ihm schwebte ein Nachwuchsprogramm vor, mit dem sich neue und junge Talente entdecken und fördern ließen, lange bevor die alte Garde in den Ruhestand tritt und eine riesige Lücke hinterlässt.
Jugend forsch.
1977 ist es so weit: Das BMW Junior Team tritt ins Rampenlicht der Motorsportwelt. Sehr bewusst werden internationale Fahrer ausgewählt. Aus Deutschland kommt Manfred Winkelhock, sein Teamkollege Marc Surer ist Schweizer und die USA steuert Eddie Cheever bei. Cheever ist mit seinen erst 19 Jahren der Jüngste von allen, ein Teenager, die anderen mit Mitte zwanzig nicht sehr viel älter. Sie fahren neu nach Gruppe-5-Reglement aufgebaute BMW 320. Als sich in Zolder zum ersten Mal die Startflagge senkt, hat Cheever seinen Wagen bereits im Training so zerstört, dass er jetzt im Ersatzwagen sitzt.
25.000 Zuschauer, so viele wie noch nie, sind zu diesem ersten Lauf der Deutschen Rennsport-Meisterschaft gekommen und werden Zeugen eines unglaublichen Debüts. Marc Surer startet von der Pole-Position und gewinnt sensationell, Winkelhock wird Dritter und steht damit ebenfalls auf dem Treppchen. Crashpilot Cheever mit dem Lausbubengesicht kämpft sich im Ersatzauto noch bis auf Rang 5 vor. Ford Sportchef Mike Kranefuß ahnt da bereits, dass es bald ein wüstes Hauen und Stechen geben könnte. Denn die bisherigen Sieger und Konkurrenten wollen sich natürlich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen lassen, noch dazu von „Neerpaschs Krabbelgruppe“, wie bald gelästert wird.
Show and Showdown.
Das zweite Rennen des jungen Teams findet auf dem Nürburgring statt, das hieß damals natürlich Nordschleife, denn die moderne Formel 1 Rennstrecke wird erst 1984 eingeweiht. Zur Freude der Zuschauer und zum Entsetzen der Konkurrenten zeigen die jungen Wilden der BMW Truppe auch diesmal keinerlei Respekt vor den etablierten Fahrern. Hans Heyer, der sich immer nur mit Helm oder Tirolerhut auf dem Kopf fotografieren lässt, raunt etwas von „Kopfschuss bei allen drei“, Ronnie Peterson meint „completely crazy“. Jochen Neerpasch nimmt sich die drei notgedrungen zur Brust, eine Weile ist danach tatsächlich Ruhe.
Der Erfolg hält aber auch so weiterhin an. Bis zum Norisring stehen immer mindestens zwei BMW Junior Team Fahrer auf dem Podium, Marc Surer kann seinen Anfangserfolg verteidigen und steht als Tabellenzweiter in Nürnberg am Start.
The Fast and the Furious.
Sommer, Sonne, hunderttausend Zuschauer an der Strecke. Sogar Porsche ist jetzt dabei, startet mit einem kleinen Zweiliter-Turbo. Walter Röhrl übernimmt im Schnitzer 2002 Turbo gleich mal die Führung, später kämpft sich Cheever an die Spitze, Heyer und Winkelhock beharken sich dahinter um Rang zwei. Marc Surer muss an die Box, doch als er weiterfahren kann, kommt er genau hinter Cheever und vor den beiden anderen zurück ins Rennen. Ein denkwürdiger Kampf beginnt, bei dem auch Ford Escort Fahrer Heyer keinen Fingerbreit nachgeben will. Am Ende ist Surer abgeschlagen auf Platz 8, zwei Junioren vorne und Heyer Vierter mit einem spektakulär gerupften Wrack. Der Ford Fahrer lässt sich vor der Zuschauertribüne als Held feiern, das Presseecho der nächsten Tage gleicht einem Sturm.
Pause für die Helden.
Teamleiter Neerpasch glättet mühsam die Wogen, indem er seinen Sturm-und-Drang-Piloten eine Zwangspause verordnet. Im nächsten Rennen steuern wieder gestandene Formel 1 Fahrer die BMW 320: Hans-Joachim Stuck, Ronnie Peterson und der US-Fahrer David Hobbs. Groß ist der Unterschied allerdings nicht, nur Stuck macht seinem Namen alle Ehre und siegt mit deutlichem Vorsprung.
Surer muss sich jetzt sogar vor dem Sportgericht verantworten, man sieht in ihm den „bösen Buben“, will unbedingt ein Exempel statuieren. Er wird für zwei Monate gesperrt, alle seine Meisterschaftspunkte werden aberkannt. Bevor das Urteil allerdings rechtskräftig wird, darf er in Hockenheim noch mal ran. Und die drei Junioren fahren so wild entschlossen, als wäre gar nichts gewesen. Die Zuschauer geraten völlig aus dem Häuschen, als sie die drei BMW Fahrer nun vor allem gegeneinander kämpfen sehen. Diese lassen auch nichts aus, bleiben in Kurven oder auf der Geraden nebeneinander, zu dritt, wenn es sein muss, bieten mit ständigen Positionswechseln die perfekte Show, bis Cheever Surer von der Strecke kickt und Winkelhock das interne Duell gewinnt.
Zum Saisonschluss 1977 zeigt sich: Das neue BMW Junior Team hätte mit etwas weniger jugendlichem Übermut bereits alles gewinnen können. So wird Winkelhock Punktbester in der kleinen Klasse und Dritter im Gesamtklassement, Cheever und der mittlerweile begnadigte Surer teilen sich punktgleich Rang 5.
Dem Nachwuchs eine Chance.
Jochen Neerpasch schrieb mit der Erfindung des BMW Junior Teams Motorsportgeschichte. Es gehörte sehr viel Mut und Entschlossenheit dazu, einer so jungen, wilden Truppe diese einmalige Chance zu geben. Die Zukunft gab ihm recht. Auch die Rennsportmeisterschaft profitierte, denn sie war danach populärer denn je. Alle drei Fahrer machten danach rasch ihren Weg bis in die Formel 1: Cheever bereits 1978, Surer 1979 und Winkelhock folgte 1982.
Das BMW Junior Team bildete den Grundstein für die konsequente Nachwuchsförderung bei BMW, eine Tradition, die sich bis heute prächtig weiterentwickelt hat. Ganz so wild wie damals aber muss es ja nicht immer sein.